Heuler

[. . . oder nur ein junger Seehund?]


Ich stehe auf der Nordmole und höre plötzlich aus der Ferne ein seltenes aber nicht unbekanntes Geräusch. Sofort suche ich die Uferböschungen auf beiden Seiten der Mole durch das Fernglas ab. Da ist das Geräusch wieder. Es kommt eindeutig aus nördlicher Richtung. Ich scanne die Böschung dort noch einmal intensiv. Nichts. Und dann sehe ich weit draußen einen kleinen schwarzen Punkt auf dem Wasser.

 
 
    Der taucht ab, wieder auf; eindeutig ein Seehund. Er kommt in kurzen Tauchgängen langsam im Zickzackkurs auf die Mole zu. Es ist ein kleines Tier. Jedes Mal wenn es auftaucht ist das Heulen zu hören.



     
Dann, nach einem etwas längeren Tauchgang streckt der Kleine seinen Kopf direkt vor der Mole aus dem Wasser. Viel mehr als 80 cm Seehund sind das nicht, die ich da vor mir sehe.    



     
   



     
    Aber ganz schön laut ist der Zwerg. Offensichtlich ruft er nach seiner Mutter. Vermutlich hat sie den Nachwuchs hier im sicheren Bereich zurück gelassen, während sie selbst auf Beute aus ist. Irgendwo muss die extrem nahrhafte Milch mit 45%(!) Fett-Gehalt ja herkommen. Die bei der Geburt zwischen 7 bis 10 kg wiegenden Babys sollen schließlich binnen vier Wochen auf rund 25 kg gemästet werden.



     
Später, als erwachsenes Tier wird der Seehund bis 1,80 Meter groß und 120 kg schwer, wobei die Weibchen etwas zierlicher sind. Er kann bis zu 40 Jahre alt werden doch der Durchschnitt liegt leider nur bei traurigen 12 Jahren. Seehunde sind in der Lage Sauerstoff im Blut einzulagern und nutzen zusätzlich auch die Muskeln als Sauerstoffspeicher. So sind Tauchgänge bis zu 30 Minuten möglich. Dabei erreichen sie Geschwindigkeiten von bis zu 40 km/h.    



     
    Seehunde werden zwischen Ende Mai und Ende Juli geboren, im Allgemeinen bei Niedrigwasser auf einer Sandbank. Die Geburt dauert nur wenige Minuten. Junge Seehunde haben, anders als junge Kegelrobben, von Geburt an ein wasserabweisendes Fell. Bereits bei der ersten Flut müssen die Kleinen schwimmend ihrer Mutter folgen. Die Säuge-Zeit dauert vier bis fünf Wochen. Danach müssen die Jungtiere das Jagen selbst erlernen.



     
    Die kleinen Robben sind also genau in der Zeit an unseren Stränden, in der auch sehr viele Menschen hier sind. So kommt es unweigerlich immer wieder zu Begegnungen. Aber nicht jedes alleingelassen wirkendes Jungtier ist auch wirklich ein verlassener „Heuler“. Meistens ist die Mutter nicht weit entfernt, hat ihren Nachwuchs sozusagen geparkt und holt den Kleinen auch wieder ab, wenn wir sie nicht dabei stören. Darum ist es ganz wichtig Abstand vom Jungtier zu halten (300 m sind gut), niemals das Tier anzufassen und auch unbedingt Hunde fernzuhalten.



     
Wenn die Vermutung nahe liegt, dass es einem Seehund nicht gut geht, kann man das der Seehundstation Norddeich (04931 973330) melden. Auch die Nationalparkverwaltung (04421 9110), das Aquarium (04421 5066444) oder das Wattenmeer Besucherzentrum (0 4421 910733) stehen als Ansprechpartner zur Verfügung und geben die Meldungen entsprechend weiter. Die 110 oder 112 sind hier die völlig falschen Nummern.    



     
Auch wenn sich ein erwachsener Seehund am Strand, am Deich, am Ufer oder gar auf dem Deichsicherungsweg ausruht, sind ein paar einfache Regeln beim Zusammentreffen zu beachten.    



     
    Der Mensch ist hier Gast im Zuhause des Seehundes und so soll er sich auch verhalten: Respektvoller Umgang und gebührender Abstand müssen eine Selbstverständlichkeit sein. Hunde sind anzuleinen und einen kleinen Umweg für den Seehund zu machen, sollte wohl kein Problem sein.



     
Es ist nichts Außergewöhnliches, wenn man am Strand auf einen Seehund trifft aber es ist doch immer etwas Besonderes.